Trolle in Stein verwandeln
Die Autorin des folgenden Artikels, Starhawk, ist eine international bekannte Feministin, politische Aktivistin und Hexe (im Sinne der neu-heidnischen Wicca-Bewegung). Sie ist seit Jahrzehnten spirituell, ökologisch und politisch aktiv und eine derjenigen, die maßgeblich zu einer Verbindung von Feminismus, Spiritualität, Ökologie und Politik beigetragen haben.
Das Original kann gelesen werden unter www.starhawk.org und steht zur freien Verbreitung zu Verfügung (bitte mit Quellenangabe).
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Trolle in Stein verwandeln
Strategien für eine globale Gerechtigkeitsbewegung
von Starhawk Juli 2002
In Tolkiens Buch „Der Hobbit“ werden Bilbo Beutlin und seine Zwergenfreunde von Trollen gefangen und sollen zum Essen gekocht werden. Sie werden durch den Zauberer Gandalf gerettet, der die Trolle durch Reden und Zanken beschäftigt, bis der Tag anbricht. – Sonnenlicht verwandelt Trolle in Stein.
Diese Geschichte könnte ein gutes Vorbild zu direkten Aktionsstrategien für die globale Gerechtigkeitsbewegung abgeben. Im Grunde befinden wir alle uns in dem Eintopf, während sich die Trolle der Konzerne an den Ressourcen und Arbeitsprodukten der Welt laben. Der globalisierte Konzern-Kapitalismus hängt aber davon ab, sein wahres Wesen zu verbergen und im Schatten zu wirken. Er hüllt sich in die Rhetorik und den Anschein der Demokratie. Dem Licht ausgesetzt, kann er nicht mehr funktionieren.
Was verstehen wir unter der „Globalisierung“ der Konzerne? Es handelt sich dabei um eine Ideologie, die den Profit zum höchsten Wert und bestimmenden Faktor für alle menschlichen Aktivitäten erhebt, für individuelle wie kollektive. Diese Ideologie besagt, dass Konzerne in ihrem Drängen nach Profiten nicht behindert werden dürfen und dass alle Quellen des natürlichen und menschlichen Lebens der Ausbeutung offenzustehen haben. Dienstleistungen und Infrastrukturen, die bislang gemeinschaftlich und von gewählten Regierungen zur Verfügung gestellt wurden, sollen Arenen der Profiteure werden, wobei zwar einige Leute reicher würden als andere, die Befolgung dieses Programms letztlich aber alle reicher machen und allen nützen solle.
Die Globalisierung der Konzernwirtschaft wird von bestimmten Institutionen vertreten, wie der Weltbank und dem IWF, die den stark verschuldeten Drittweltländern als Gegenleistung für die Teilhabe an der Weltwirtschaft ihre Bedingungen auferlegen. Und sie wird durch Handelsabkommen wie das NAFTA (The North American Free Trade Agreement), das vorgeschlagene FTAA (Free Trade Agreement of the Americas – die Ausweitung des NAFTA auf bei amerikanische Kontinente), und viele andere wie das globale GATT (Global Agreement on Tariffs and Trade), welche von der WTO (Welthandelsorganisation) durchgesetzt werden. Diese Abkommen und Institutionen stellen sich über die demokratisch entstandenen Gesetze der einzelnen Länder und ermöglichen es, dass diese durch Entscheidungen eines WTO-Tribunals außer Kraft gesetzt werden, wodurch zum Beispiel Handelsverbote mit Waren aus Kinderarbeit als unerlaubte Beschränkungen verboten werden. Viele Abkommen ermöglichen es den Konzernen, Regierungen für den entgangenen Profit zu verklagen, wenn sie von Gesetzen eingeschränkt werden. Ein kanadischer Konzern hat jüngst hunderte Millionen Dollar vom Staat Kalifornien einfordern können, welcher einen grundwasserschädigenden Zusatz zu Benzin verboten hat. Und der Konzern A.U.S. hat Kanada wegen des Verbotes eines Zusatzes verklagt, der Hirntumore bei Kindern hervorruft.
Dieses Programm wird durch die enorme militärische und polizeiliche Macht des Staates gestützt, hauptsächlich der USA, aber auch von unseren Verbündeten. Der „Krieg gegen den Terror“ ist die perfekte Ausrede geworden, um diese Macht auszudehnen, bis daraus eine globale Vorherrschaft wird.
Das Globalisierungsprogramm ist auf verschiedenen Ebenen problematisch: Es ist offenkundig ungerecht und läuft jedem menschlichen Impuls zu Mitgefühl, Großzügigkeit und Gemeinschaftlichkeit entgegen. Es widerspricht den Lehren einer jeden Religion oder Sozialethik. Es zerstört die grundlegenden lebenserhaltenden Systeme des Planeten. Und es funktioniert nicht. Es gestattet den Konzernen freie Beweglichkeit über Grenzen hinweg, um sich das geringste Niveau an Löhnen und Regulierungen zu suchen; damit senkt es den Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung überall auf der Welt. Es beschlagnahmt die Ressourcen, die Gemeingut bleiben sollten, und konzentriert Reichtum und Macht in immer weniger Händen. Dagegen schafft es für Milliarden Menschen Elend, Armut und Verzweiflung.
Es mag als eine überwältigende und hoffnungslose Aufgabe erscheinen, sich solch einem System zu widersetzen. Wie können wir einem System gegenübertreten, das über derartige wirtschaftliche Ressourcen gebietet, die wesentlichen Massenmedien kontrolliert und alle militärischen, polizeilichen und rechtlichen Mächte der Staaten für sich mobilisieren kann?
Wie mächtig das System aber scheinen mag, so beruht es doch auf dem Einverständnis und der schweigenden Zustimmung genau der Menschen, die es ausbeutet. Die vielen von uns, die nicht wirklich von dem System profitieren, stützen es dennoch durch ihre Teilnahme. Ohne unsere Arbeit, unseren Gehorsam, ohne unsere Bereitschaft uns selbst zu zensieren, kann das System nicht funktionieren.
Zum Teil arbeitet die Öffentlichkeit deshalb mit dem System zusammen, weil es sein wahres Wirken unter geschickter Rhetorik, obskuren Wirtschaftstheorien und den Verlockungen der Demokratie verbirgt. Trolle gedeihen in der Dunkelheit.
Eine Strategie der globalen Gerechtigkeit besteht also darin, die Trolle dem Licht auszusetzen: die Wahrheit über das System zu verbreiten, den Menschen seine Auswirkungen auf alltäglicher Ebene zu demonstrieren und deutlich zu machen, wo es nicht funktioniert. Letztlich ist unser Ziel, die Legitimation des Systems auszuhöhlen und die schweigende Unterstützung ins Wanken zu bringen.
Es gibt viele Gruppen, von Bürgerrechtsorganisationen bis hin zu unabhängigen Medien, die daran arbeiten dieses Licht auf das System zu werfen. Wie aber können wir in einer von Informationen überladenen Welt die Aufmerksamkeit der Menschen gewinnen, die ohnehin überlastet sind von furchterregenden und dringlichen Nachrichten?
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