Interview mit Starhawk (2000)
Folgendes Interview mit Starhawk entstand im Juni 2000 in München. Die Fragen erdachte Francesco, der in Italien ein ‚Pagan Fanzine’ mit dem Namen ‚Gentilitas’ herausgibt. Das Gespräch führte Christel vom ‚Kalia e.V., kreatives Leben, Therapie und soziales Lernen’ in München, der u.a. auch Seminare mit Starhawk organisiert.
Übersetzung von Brigitte und Christel.
Christel: Hallo Starhawk, wie geht es Dir?
Kannst Du mir als erstes die Gründe dafür sagen, warum Du das Heidentum für Dich als Weg gewählt hast?
Starhawk: Wie es mir geht? Es geht mir so gut, wie es von einer mit einem gebrochenen Knöchel erwartet werden kann. Einer der Gründe, die mich zum Heidentum hingezogen haben: ich denke, der wichtigste Grund war zunächst einmal das Bild der Göttin. Ich bekam damit zu tun, als ich noch sehr jung war. Ich war 17, ich war an einem Projekt über Hexen an der Universität beteiligt und dadurch trafen wir einige richtige Hexen und als sie begannen uns über die Religion der Göttin zu erzählen hat es wirklich etwas in mir getroffen und als junge Frau fand ich es eine verblüffende, machtvolle und aufregende Idee, dass es möglich war eine Gottheit in weiblicher Gestalt zu sehen. Und die anderen Aspekte waren zum einen, dass die Natur heilig war, meine ganz persönliche spirituelle Erfahrung habe ich immer mit der Natur gemacht, und auch, dass Sexualität heilig war, was mich als junge Frau sehr anzog und immer noch tut.
Christel: Dein heidnischer Weg hat vor vielen Jahren begonnen, kannst Du mir sagen, was die größten Unterschiede zwischen der ‘Heidenszene’ vor vielen Jahren und der jetzigen sind?
Starhawk: Die frühe Heidenszene in den USA ist, soviel ich weiß, der jetzigen in Italien sehr ähnlich.. Sie war sehr klein, und das meiste davon musste heimlich und im Untergrund geschehen. Außerdem war sie in viele kleine Gruppen aufgeteilt, die nicht miteinander in Verbindung standen, und sie tendierte dazu eine Menge seltsamer und exzentrischer Typen anzuziehen. Heute ist sie enorm gewachsen, sie ist viel größer und es existiert auch eine Unzahl verschiedener Richtungen innerhalb der heidnischen Szene. Es gibt eine Menge heidnischer Gruppen, die viel mehr an die Öffentlichkeit gehen können. Es wird sehr, sehr vieles veröffentlicht: Massen von Büchern, Zeitschriften und Web-Seiten. Im Gegensatz zu heute, wo es viel Material und Informationen gibt, war es vor 30 Jahren überaus schwierig irgendetwas über Heidentum zu finden oder irgendwelche Hexen zu treffen. Heutzutage klickst Du Dich einfach ins Internet und findest Versammlungen, Workshops, Feste und Unterricht, fast alles, das du dir nur wünschen kannst.
Christel: Wie sind Deine Beziehungen zu der Gesellschaft, in der Du lebst? Hattest Du jemals irgendwelche Probleme durch Deinen heidnischen Glauben?
Starhawk: Ich denke, jede Person, die offen und öffentlich eine Hexe und Heidin gewesen ist, muss irgendwann einmal diese Wahl treffen, d.h., ihrem Leben eine bestimmte Richtung geben. Für mich hat das bedeutet, dass ich mich keiner der etablierten Institutionen anschließen würde, um dort erfolgreich zu sein. Wenn ich zum Beispiel an einer der allgemein akzeptierten Universitäten, an denen es möglich ist fest angestellt zu werden, hätte lehren wollen und nicht an einer alternativen Universität, so wie ich das tue, oder wenn ich in die Politik hätte gehen wollen, wäre es sehr schwierig gewesen das als Heidin offen zu tun. Aber mein Leben ist in Wirklichkeit so glücklich verlaufen, dass es möglich war, mich als Heidin und Hexe zu bekennen, darüber zu schreiben und zu lehren und damit meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Aus diesem Grund musste ich nicht von diesen anderen Institutionen abhängig sein, und darum habe ich immer ein enormes Maß an Freiheit besessen.
Es gab Plätze wohin ich hätte eingeladen werden können, sagen wir von einer Gruppe von Nonnen, und deren Vorgesetzte empfahlen ihnen: Ihr solltet sie nicht einladen. Das ist nur eines von mehreren Beispielen. Es gibt einen wundervollen Mann, der Matthew Fox heißt und Dominikaner-Priester ist. Ich habe viele Jahre lang in seinem Institut gelehrt und er hat eine Menge Probleme bekommen, weil ich das tat. Sowohl er als auch das College, an dem ich gelehrt habe, haben mich immer unterstützt. Aufgrund der in den Staaten herrschenden Religionsfreiheit darf niemand wegen seines Glaubens diskriminiert werden. Aber mir hat all das keine großen persönlichen Probleme bereitet, weil ich, ehrlich gesagt, nie erwartet habe, dass die katholische Kirche das wirklich mochte. Bevor ich Heidin wurde, habe ich mir nie irgendwelche Illusionen gemacht, dass der Papst das gutheißen würde.