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Starhawk über Reclaiming

Das Copyright liegt bei Starhawk.

Reclaiming ist eine Tradition der magischen Handwerkskunst.(1) Die Göttin ist für uns das sich immerzu drehende Rad von Geburt, Wachstum, Tod und Regeneration. Daher sehen wir alles Leben auf der Welt, den Körper als auch den Geist, die Zyklen der Natur, Sexualität in ihren verschiedenen Ausdrucksformen und die Elemente Luft, Feuer, Wasser und Erde, die alles Leben erhalten, als heilig an. Wir wissen, dass es ein in sich politischer Akt ist, diese Dinge heilig zu nennen, denn was heilig ist, kann nicht ausgebeutet oder verwüstet werden. Wir wissen auch, dass unsere Aktivitäten in der Welt im Dienste des Heiligen ein grundlegender Ausdruck unserer Spiritualität sind. Jedes Individuum ist eine lebendige Verkörperung des Heiligen. Das Erleben des Göttlichen ist allen gleichermaßen zugänglich und eben dieses Erleben jeder einzelnen Person ist gültig und wichtig.(2) Spirituelle Autorität liegt in uns selbst. Wir alle sind Hüter unseres eigenen Gewissens.

Unsere Trainingseinheiten, Rituale und spirituellen Praktiken sind so gestaltet, dass persönliche und allgemeine Stärken entwickelt werden, diese Mischung aus Selbstvertrauen, unabhängigem Denken, Intuition und Einsatz für die Welt, die uns fähig macht, nach unseren Prinzipien zu leben und für das aufzustehen, woran wir glauben. (3) Wir sehen alle Systeme von Unterdrückung und Ausbeutung, seien sie auf Geschlecht, Rasse, Wirtschaft, Herkunft, Überzeugungen, sexueller Orientierung, körperlichem Erscheinungsbild oder körperlichen Fähigkeiten gegründet, als schädlich für individuelle Entwicklung und für das allgemeine harmonische Zusammenleben an. Freiheit, Gleichheit und soziale Gerechtigkeit sind Grundwerte in unserer Tradition.

Weil wir die Freiheit der Gedanken hochschätzen, akzeptieren wir keine Dogmen noch verlangen wir, dass jemand etwas Bestimmtes glaubt. Allerdings haben wir eine schlüssige Vorstellung vom Universum, die miteinander verwobene Bereiche von Materie und Geist einschließt. Die Meisten von uns ziehen es vor, den Begriff „Göttin“ für den Weber dieses Netzes zu verwenden, aber wir erkennen auch ein Pantheon von Göttinnen und Göttern an, jede und jeder einzelne von ihnen mit einer speziellen Art von Energie, mit denen zusammen wir uns als Mitschöpfer von Veränderung und Schicksal sehen. Im innersten Herzen des Kosmos liegt ein Geheimnis, das niemals weder genau bestimmt noch kontrolliert werden kann. Jedwede Bilder, mit denen wir dieses Mysterium umkleiden, sind Werkzeuge, die uns dabei helfen, dem Heiligen noch tiefer zu begegnen. Jeder einzelnen Mensch braucht die Liebe, die Unterstützung und die Herausforderungen, die eine starke Gemeinschaft bieten kann, um zu überleben und zu gedeihen. Unsere Definition von Gemeinschaft erstreckt sich weit, sie umschließt sowohl unsere Toten als auch die noch Ungeborenen und wir ehren die Ahnen, unsere lieben Verstorbenen, die mächtigen Wesen der magischen Handwerkskunst, die Feen- oder Anderswelt und alle Erscheinungsformen des Mysteriums. (4)

Unsere Rituale bemühen sich um persönliche Heilung und Entwicklung, Zusammenhalt der Gemeinschaft und/oder kollektive Veränderung. Wir praktizieren und lehren Magie nach der Definition von Dion Fortune als „die Kunst, das Bewusstsein willentlich zu verändern.“ Ein verändertes Bewusstsein kann eine Veränderung in der Welt hervorrufen. Magie muss in ethischem Zusammenhang praktiziert werden. Wir sehen die „Dreierregel“ als gute Richtlinie an: dass, was auch immer von uns ausgeht, zu uns dreifach zurückkehrt. Wir können durch Magie nichts tun, was in einem anderen Zusammenhang falsch wäre. Ethisch gesehen können wir Magie nicht ausüben um andere zu manipulieren. Wir raten dringend ab, im Ritual, speziell im öffentlichen Ritual, Drogen und Alkohol zu gebrauchen.

Unser Zugang zu Magie und Ritual ist ein experimenteller: ununterbrochen lernen und wachsen wir, probieren neue Techniken aus und sehen die Resultate kritisch an. Einige der von uns verwendeten Techniken schließen Meditation, Atemarbeit, Bewegung, Trance, Trommeln, Singen, Visualisation, Trommeltrance, Weissagung, Aspektieren, Ankern und anderes ein. Unser Training lehrt uns, die Energie von Menschengruppen zu erkennen und zu formen.

Den Stil unserer Rituale könnte man mit der Abkürzung „EIEIO“ beschreiben:

Ekstatisch: Weil wir versuchen, eine hohe Intensität der Energie zu erreichen, die leidenschaftlich ist und Vergnügen macht.

Improvisatorisch: Wir schätzen Spontaneität während der gesamten Ritualstruktur, ermutigen die Leute, eine Liturgie im Augenblick zu erschaffen statt sie vorher festzuschreiben, auf die Energie um uns herum zu antworten, anstatt vorher festzusetzen, wie es laufen sollte.

Ensemble: In unseren größeren Gruppenritualen arbeiten wir mit vielen Priesterinnen/Priestern zusammen, die verschiedene Rollen ausfüllen und verschiedene Funktionen innehaben, welche sich gegenseitig im Idealfall so unterstützen wie die Mitglieder eines guten Jazzensembles. Wir sind absolut dafür, diese Rollen im Rotationsprinzip von Zeit zu Zeit zu wechseln, um die Entwicklung von Hierarchien zu verhindern und um es jeder Person möglich zu machen, die vielen Facetten des Rituals kennen zu lernen.

Inspiriert: Weil wir alle Zugang zum Heiligen haben, sind wir alle in der Lage, Elemente des Rituals auszudenken. Obwohl wir die Mythen, die Gedichte, die Lieder und die Geschichten, die wir aus der Vergangenheit her kennen, ehren, sind wir nicht an die Vergangenheit gebunden, denn die göttliche Inspiration ist in uns allen jederzeit präsent.

Organisch: Wir bemühen uns um einen ruhigen, dauernden Energiefluss in einem Ritual, dessen Eigenleben wir achten. Unsere Rituale sind verbunden mit den Rhythmen der Zeitzyklen und dem Leben in der Natur.

Wir könnten noch ein paar mehr „E´s“ hinzufügen: experimentell, eklektisch, sich entwickelnd. Wir haben eine eigene Art des Lehrens von Technik und Mythologie entwickelt, welche folgende Dinge enthält:

Ein System, das den Elementen passende Eigenschaften und Dinge zuordnet, einen Jahreskreis der wichtigen Rituale, ein systematisches Wissen um psychische Energien, eine Art, Mythologie unter der Perspektive von politischem und psychologischem/personellen Wachstum anzusehen und Trancetechniken, die in Ritual und Praxis angewendet werden. Dieses Wissensbündel wurzelt in der Faery-Wicca-Tradition, wie sie Victor Anderson gelehrt hat, umfasst aber jetzt viele andere Quellen, einschließlich direkter Inspiration. Unsere Praxis ist lebendig und ständig wachsend, etwas, was dauernd erweitert, verbessert, erneuert und verändert wird, so wie uns unser Geist antreibt und Bedürfnisse entstehen, sie ist allerdings keine „Tradition“, die man in formeller Weise lehren und wiederholen muss.

Wir ehren die gemeinschaftsbildende Arbeit von organisieren, Finanzen in Ordnung halten, telefonieren, e-mailen, fotokopieren, gärtnern, kochen, sauber machen, bauen, reparieren, Kinder großziehen und alle hinter den Kulissen stattfindenden Arbeiten rund ums Ritual. Unsere organisatorischen Strukturen müssen unsere innersten Werte genau so widerspiegeln wie es unsere Rituale tun. Wir respektieren authentische Führerschaft und Expertentum, aber wir fördern das Teilen und die Rotation von Rollen und Verantwortungen. Wir führen keine Machthierarchien ein. Entscheidungen werden im Konsens getroffen, weil das ein Prozess ist, der am Besten zu unserer Anerkennung des Heiligen in jedem Individuum passt. Wir bemühen uns, einander mit Ehrlichkeit, Fürsorge und Respekt zu behandeln.

(1) Wir könnten Wicca, Heidentum, Hexenkunst – was auch immer – sagen, der Knackpunkt ist, wir sind keine alte „New Age“ Gruppe. Ich meine, das ist eine Linie, die ich ziehen möchte – wenn du in Reclaiming sein möchtest, musst du dich mit der Tradition der magischen Handwerkskunst identifizieren. Ein Beispiel: Pardes Rimonim, die göttinnenzentrierte jüdische Gemeinschaft, zu der ich zu den hohen Festtagen gehe, ist stark von Reclaiming beeinflusst, viele ihrer leitenden Leute sind von Reclaiming ausgebildet. Aber ich würde sie nicht als Reclaiming bezeichnen – sie sind eine jüdische Tradition (vielleicht „irgendwie“ Reclaiming so wie „irgendwie“ koscher?)

(2) Ich übernahm das direkt von Brook und eine Menge von dem, was folgt,ist aus seinem posting zitiert .

(3) Das ist Anne Hill´s Definition von Stärkung und Ermächtigung und ich mag sie sehr.

(4) Das ist Donald Engströms Begriff, den ich genau so mag.

Übersetzung: Susanne Wegner 2012

 

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