Celia
Celia ist Jahrgang 1976, von Beruf Ingenieurin und verheiratet. Sie lebt in der Rhein-Neckar-Region.
Das folgende Interview wurde am 7. August 2014 mit ihr geführt.
Wie hast du zu Reclaiming gefunden? Wie sah dein vorheriger spiritueller Weg aus?
Vor vielen Jahren war ich auf der Suche nach meiner spirituellen Heimat und habe nach einigen eher diffusen Gedanken 1996 den „Spiraltanz“ von Starhawk in Händen gehabt. Von da aus war es dann eine gemeinsame Entwicklung von Reclaiming-Inhalten, schamanischen Reisen und noch einigen anderen, meist hexischen, Einflüssen und Erfahrungen. Ich war dann schon einige Jahre – auch zusammen mit anderen – aktiv als ich 2002 in den Kontakt zur größeren Reclaiming-Gemeinschaft gekommen bin. Damals war das noch nicht ganz so einfach wie heute, wo ich nur noch auf die Reclaiming-Homepage gehe und mich quer durch die weltweite Gemeinschaft klicken kann.
Was bedeutet Reclaiming für dich? Was hat dich am meisten daran angezogen? Warum bist du dabei geblieben?
Reclaiming bedeutet für mich eine Naturreligion, die mir genug Freiheiten lässt, sie so auszugestalten, wie ich sie erlebe und erfahre, die mich aber auch immer wieder dazu auffordert, selber tätig zu werden, meine eigene spirituelle Autorität zu sein. Angezogen hat mich das Nicht-Hierarchische, die Verbindung zum Alltag, die Aufforderung selber aktiv zu werden, dass eine Konsumhaltung eher nicht gewünscht wird.
Geblieben bin ich, weil ich erlebt habe, dass Konsens wirklich funktionieren kann, dass man nicht-hierarchisches Denken umsetzen kann, dass ich so viele liebe Menschen getroffen habe, dass es sich für mich persönlich richtig anfühlt.
Welche Rolle spielt die Spiritualität in deinem täglichen Leben? Wie verbindest du Reclaiming mit deinem Alltag?
Dies ist ein sowohl als auch.
Die Spiritualität ist mir auch in meinem alltäglichen Leben wichtig. Wenn ich der Meinung bin, dass Mutter Erde geschützt gehört, dann meine ich das nicht nur im Ritual, sondern setze mich auch in meinem Alltag dafür ein. Wenn ich denke, dass mir eine spezielle spirituelle Praxis derzeit gut tut, dann baue ich diese in meinen Tag mit ein.
Aber es gibt auch viele Bereiche in meinem alltäglichen Leben, die sind eigentlich genauso, wie bevor ich mit Reclaiming zu tun hatte. Auch vorher habe ich mich um die Umwelt gesorgt, dass war nicht neu. Viele Freunde sind die gleichen und haben auch gar nichts mit Reclaiming am Hut.
Meine Überzeugungen haben einen Einfluss auf meinen Alltag und auf mein Verhalten oder das was ich tue, meine Spiritualität spiegelt sich in einigen oder auch vielen Dingen, die ich tue. Ja, das ist vermutlich eher meine Sichtweise auf diese Dinge.
Welchen Platz hast du in der Reclaiming Gemeinschaft? Wie hast du ihn gefunden bzw. bist hineingewachsen?
Meinen Platz, oder einen Platz. Einen Platz wie jede andere Person auch. Aber das ist vielleicht nicht das, was mit der Frage gemeint ist. Falls Du mich fragst, welche Aufgaben ich freiwillig übernommen habe, dann lautet meine Antwort etwas anders. Vor ca. zwölf Jahren, als ich selber gerne einige Workshops besuchen wollte und es keine gab, habe ich angefangen sie zusammen mit anderen aus meiner lokalen Gemeinschaft zu organisieren.
Da wir gerne diese Workshops auch dazu nutzen wollten, unsere lokale Gemeinschaft weiter auszubauen, war unser Beschluss, neben einem möglicherweise externen Teacher immer auch mindestens einen lokalen Student-Teacher in die Workshops einzubinden. Also mindestens einer aus dem Teaching-Team sollte immer lokal sein. Damals kam dann zusammen, dass ich dies gerne übernehmen wollte und es auch aus der Gruppe heraus an mich herangetragen wurde. Also habe ich mit dem Teaching angefangen und auch weitergemacht.
Aus eigenem Bedürfnis heraus haben wir damals auch angefangen neben unseren eigenen privaten Gruppen (Covens) eine größere Gemeinschaft durch regelmäßige Stammtische und Jahreskreisfeste zusammen zu bringen. Da ich damals zu denen gehörte, die das gerne wollten, war ich konsequenter Weise auch bei denen dabei, die das organisiert haben. Denn so ist das in Reclaiming, wenn Du möchtest, dass es etwas gibt (wie z.B. öffentliche Jahreskreisfeste), dann musst Du Dich dafür einbringen, dich engagieren und mitmachen. Du kannst Dich nicht hinstellen und sagen „Ich will das haben“ und dann erwarten, dass irgendjemand kommt und das für dich bereit stellt.
Seitdem habe ich dutzende halböffentliche Jahreskreisfeste mitgeplant und mitgeleitet. Ich sage immer mit Absicht „mit-„…, denn in den seltensten Fällen macht man so etwas alleine. Wir versuchen hier nicht nur beim Teaching, sondern auch bei allem anderen immer mehrere Personen in die Verantwortung oder auch Autorität für eine solche Sache zu nehmen, um unseren nicht-hierarchischen Hintergrund zu leben. (Was nicht heißt, dass es bei zu wenigen Teilnehmern oder Interessierten nicht doch auch mal eine Einzelperson übernimmt. Aber das ist hier bei uns die Ausnahme).
Ähnlich war es für mich auch, wenn ich über unsere lokale Gruppe hinaus auf Reclaiming Deutschland gucke. Mit einigen anderen war ich an einem deutschen Löwenzahntreffen interessiert, also habe ich es mit organisiert. Mir ist es wichtig, dass die lokalen Gemeinschaften auch untereinander Kontakt halten, also versuche ich Kontakte zu knüpfen und zu bewahren. Etc.
Insofern ist es immer noch so, dass ich einen Platz wie jede und jeder andere auch in Reclaiming habe, der oder die sich einbringen möchte und „dabei ist“.
Aber im Laufe der Jahre bin ich in viele Aufgaben hineingewachsen und habe viele Rollen übernommen: Teaching, Workshop-Orga, Ritualplanung, Ritualleitung und vieles mehr. Solche Aufgaben sehe ich immer auch als „Dienst an der Gemeinschaft“ und so habe ich mir meine Aufgaben gesucht oder so haben sie mich gefunden: die Bereiche, in denen ich mich in Reclaiming einbringen kann.
Was sind deine Wünsche und Träume in Hinblick auf Reclaiming für die Zukunft?
Mein Wunsch wäre, dass Reclaiming sich treu bleibt, auch und gerade in seiner Veränderung. Reclaiming ist ein Teil der Welt, aber Reclaiming ist nicht die Welt.