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Cassandra

Cassandra

Cassandra

Das Interview ist am 11. September 2014 geführt worden.

Cassandra hat als Rechtsanwaltsfachangestellte, Phonotypistin, Chefsekretärin und in der Anmeldung einer radiologischen Praxis gearbeitet. Sie ist Mediatorin und hat zwanzig Jahre um des Wissens willen studiert. So hat sie in Pädagogik, Anglistik, Germanistik, Politologie, Soziologie und Geschichte den kompletten Studiengang besucht; Philosophie war eine ganz große Leidenschaft. Heute saniert, renoviert und hält sie die Sternschnuppe in Stand, organisiert alle möglichen Kurse, arbeitet im „Offen Ganztagsangebot“ an der Schule, melkt manchmal, repariert Computer, legt einen Garten an, macht die Administration der „Mysterien Schule“ und unterrichtet dort, und .. naja solche Dinge eben. Sowas kommt dabei raus, wenn Hex dringend so viel Dinge wie möglich ausprobieren will.

Cassandra lebt nach eigenen Worten am schönsten Ort der Welt! In der Sternschnuppe (http://www.sternschnuppe-oldenbuettel.info/), hoch im Norden Deutschlands. Sie sagt: „Ich lerne jetzt, was es bedeutet einen Traum zu leben. Den Traum von einem sicheren, schönen, festen Ort für Reclaiming-Treffen. Wie gut, dass ich auch gelernt habe, dass Hexen alles können.“
Ihre Wegbegleiterinnen und großen Lieben sind JaNee oder der „Lessie-Hund“und die Katzen Tessie, Pia und Sarah.

Wie hast du zu Reclaiming gefunden? Wie sah dein vorheriger spiritueller Weg aus?

Aufgewachsen bin ich im Spannungsfeld zwischen einer atheistischen Mutter und einem heidnischen Vater (wobei es für beide nur sehr bedingt ein Thema war). Mein Opa war Heide durch und durch, meine Oma hingegen Christin. So wuchs ich mit allerlei Geschichten und Mythen auf. Natürlich haben auch Indianergeschichten nicht gefehlt. Thor mit Blitz und Donner war ein steter Gefährte, weil meinem Vater die Vorstellung so gut gefiel. Opa kannte auch viele Göttinnen-Geschichten, natürlich auch Hel und Innana und die Sternengöttin. Die Zahnfee und Feen überhaupt gehörten wie Peter Pan zu meinem Leben. Später dann waren erst einmal die Philosophen dran. Ein Schulausflug brachte mich ins Hexenarchiv und so begannen die Forschungen. Ich las, wie viele andere auch, den „Hexenkult“. Eine recht unerquickliche Reise in verschiedene Hexenzirkel ließ mich eine Pause einlegen. Ich reiste oft nach Griechenland in die Nähe von Olympia und widmete mich dieser Götterwelt erneut. Schließlich fand ich Donate und ihren Jahreskreis und die Witchcamps.

Was bedeutet Reclaiming für dich? Was hat dich am meisten daran angezogen? Warum bist du dabei geblieben?

Reclaiming ist eine Art Heimat – ganz ähnlich der Universität. Ich kann mich Interessengruppen anschließen und mich dort einbringen. Ich kann alle Mond- und Jahreskreisfeste feiern. Ich muss aber nichts. Reclaiming hat Inklusivität ganz groß auf den Fahnen und bemüht sich immer so zugänglich wie möglich zu sein. Gleichauf wird die Vielfalt geehrt. Neben all dem persönlichen Wachsen, der Nachhaltigkeit und der erwähnenswert guten Kommunikation, bedeutet Reclaiming für mich Freiheit. Freiheit, die darin fußt, dass ich meine eigene höchste Autorität bin.

Die Erfahrung, dass dies wirklich umsetzbar im Miteinander ist und dass dies miteinander sehr bereichernd ist, hat mich angezogen und lässt mich dabei bleiben. Wahrscheinlich könnte ich Romane schreiben, warum ich Reclaiming so toll finde. Doch es ist wahrscheinlich die Mischung aus persönlicher Arbeit, politischen Aktivismus, Sorge für die Erde, Feminismus und Magie.

Welche Rolle spielt die Spiritualität in deinem täglichen Leben? Wie verbindest du Reclaiming mit deinem Alltag?

Spiritualität ist wie atmen. Jeden Tag bin ich dankbar so zu leben. Ich habe das unglaubliche Glück Leben und Arbeit zu vereinen. Häufig verbringe ich meine morgendliche Praxis damit herauszufinden, welche der Aufgaben ruft. Ein totaler Luxus, auch wenn dann die Maurerkelle ruft. Meine tiefe Verbindung zu den Feen zaubert mir jeden Tag ein Lächeln ins Gesicht – manchmal sogar öfter. Im Haus die schönen Bilder von Lisa Suhr und draußen die große Vielfalt mit all ihren jahreszeitlichen Gesichtern.

Manchmal, wenn ich sehr viel außerhalb der Sternschnuppe zu tun habe, bin ich sehr dankbar für meine „Werkzeuge“. Egal, ob es die Erdung oder Kommunikationsfähigkeiten sind. Ich bin froh, dass ich all diese Dinge nicht nur theoretisch sondern auch ganz praktisch kenne. Und ganz ohne spirituelle Worte sind viele der „Werkzeuge“ sehr alltagstauglich – zumindest an Schulen.

Welchen Platz hast du in der Reclaiming Gemeinschaft? Wie hast du ihn gefunden bzw. bist hineingewachsen?

Eigentlich kann ich diese Fragen nicht beantworten. Reclaiming ist eine anarchistische Tradition – Plätze/Ränge/Titel, wenn es sie überhaupt gibt, werden meist als temporäre Rolle verstanden. Was ganz prima ist, denn so ist niemand für immer kategorisiert und kann, aber muss nicht eine Rolle einnehmen.

Meine Stationen:

Es begann gleich rasant. Nach ein paar Besuchen des damaligen Bremer Jahreskreises bekam ich von Donate Pahnke, jetzt McIntosh, die Möglichkeit geboten, Teil der Vorbereitungsgruppe zu sein. Und so fuhr ich dann mindestens 16x im Jahr nach Bremen. Hinzu kamen Workshops und Einzelunterricht. Natürlich besuchte ich das „Starhawk-Camp“. Es kam, wie es kommen musste, am Ende des Camps wurde ich Teil des Organisations-Teams. Es folgten wilde Jahre, in welchem sich die Gemeinschaft vergrößerte und weitere Seiten Reclaimings sichtbar wurden. Das Camp wandelte sich vom Norddeutschen Reclaiming Witchcamp zum Feencamp, welches 2006 zum letzten Mal stattfand. Die Gemeinschaft und Einflüsse wandelten sich weiterhin. T. Thorn Coyle veröffentlichte „Evolutionary Witchcraft“ und unterrichtete ein 2-Jahres-Training in Europa. Mittlerweile hatte ich einige der Frauencamps mitorganisiert, war Repräsentantin des Camps im Witchcamp-Council und hatte an einem für mich legendärem Treffen des Councils in Toronto teilgenommen. Es war die Zeit des großen Umbruchs. Ich reiste für zwei Jahre nun zu den Treffen nach Heidelberg. Es war eine großartige Zeit voller Erfahrungen und Erkenntnisse. Im Außen veränderte sich auch sehr viel, das Phoenix-Camp wurde geboren. Ich fühle mich geehrt immer noch Teil des Teams sein zu können. Das Leben wirbelte, neue Wurzeln wollten wachsen und so landete ich in Oldenbüttel und gründete die Sternschnuppe, um sicherzustellen, dass wir trotz ökonomisch schlechter Zeiten Veranstaltungen organisieren können. Manchmal ist es ein wenig anstrengend, aber wenn die Göttin und Feen meinen, dann eben auch als Organisatorin/Gastgeberin/Lehrerin in Personalunion. 😉

Was sind deine Wünsche und Träume in Hinblick auf Reclaiming für die Zukunft?

Was ich wünsche und träume in Hinblick auf Reclaiming hat sich über die Jahre gewandelt. Was ich mir immer noch wünsche: Wachstum und Integration von Familien. Ganz utopisch gedacht, wünsche ich mir, dass Reclaiming in Deutschland eine Vorbildrolle im Bereich Kommunikation einnimmt. Zur Unterstützung dieser Utopie träume ich davon, dass Teilnehmer*innen so begeistert vom Miteinander sind, dass sie die Art und Weise des Miteinanders in den Alltag tragen – ich wünsche mir das Pusteblumenprinzip!

Ich träume von einer ganz großen Veranstaltung und einem riesen Spiraltanz. Abgucken können wir jedes Samhain in San Francisco. Zu diesem Traum wünsche ich sehr gut besuchte regionale und überregionale Veranstaltungen und Trainings.

Persönlich wünsche und träume ich, dass die Sternschnuppe dazu beiträgt Teilnehmer und Lehrende zu unterstützen.