Schamanismus
Schamaninnen (und Schamanen, Männer ergänzen bitte die maskuline Form eigenständig) waren die ersten Ärztinnen, Psychologinnen und Priesterinnen des Menschen. Die Archäologie geht heute von bis zu 120.000 Jahren aus, in denen Schamanismus bereits praktiziert wird.
Eine endgültige Definition von Schamanismus kann aber bis heute von wissenschaftlicher Seite aus nicht beigebracht werden, da in den verschiedenen noch lebendigen Traditionen rund um den Globus einerseits regionale Glaubenssysteme in die Praxis der heutigen Schamaninnen einfließen, die sowohl unterschiedliche religiöse als auch magische Elemente enthalten, andererseits die Methoden des „Schamanisierens“ viele identische Merkmale aufweisen. Der Begriff des Schamanismus ist vom tungusischen šaman abgeleitet.
Schamanische Kosmologie
Die traditionelle schamanische Kosmologie umfasst drei „Welten“: die untere Welt, die mittlere und die obere Welt. Die untere Welt erreichen Schamaninnen durch einen dunklen Tunnel, dessen Einstieg ein Mauseloch, ein Abstieg im Inneren eines Baumes, eine Quelle o.ä. sein kann. Die Hilfsgeister dieser unteren Welt treten in der Regel als Tiere (Krafttiere) in Erscheinung, auch als mythologische (z.B. Drachen, Einhörner, Phönixe).
Die obere Welt beherbergt Lehrer oder Lehrerin, diese Welt erreicht die Schamanin im veränderten Bewusstseinszustand durch einen Aufstieg, z.B. bis zu den Wolken im Flug mit dem Krafttier und dann allein weiter von dort nach oben, oder durch den Rauch eines offenen Feuers oder durch einen Sprung von einem Berggipfel oder einer Baumkrone etc.
Auch die mittlere Welt, die „alltägliche“, in der wir leben, hat einen sogenannten „nicht-alltäglichen“ Aspekt. Dieser wird als Mittelwelt bezeichnet und kann ebenfalls mit Hilfe der Krafttiere „bereist“ werden. In der Mittelwelt sind auch unsere Träume und Sehnsüchte beheimatet.
Die Schamanin reist also in die „nicht-alltägliche Wirklichkeit“ (Begriff nach Castaneda) und holt sich dort mittels ihrer Krafttiere oder ihres Lehrers/ ihrer Lehrerin Hilfe „von den Geistern“ zur Heilung aller möglichen Krankheiten, zur Kommunikation mit den Seelen Verstorbener, dem Auffinden verloren gegangener Gegenstände, zur Einholung von Ratschlägen bei schwierigen Entscheidungen usw.
Geister oder Introjekte?
Die Erlebnisse schamanischer Reisen werden von Schamaninnen als „real“ empfunden und die Kontakte mit den Geistern als exosomatisch wahrgenommen, während die westlichen Wissenschaften diese Reisen als imaginativ und innerpsychisch ansehen würden. Tibetische Buddhisten sehen dagegen alle Traum- und Meditationsreisen als mentale Schöpfungen an, was im übertragenen Sinne bedeuten würde, dass alle Erfahrungen, seien sie materiell oder immateriell, Kreationen unseres Bewusstseins sind.
So bleibt also für Suchende nur, sich selbst auf den Weg zu machen und herauszufinden, was auf so einer schamanischen Reise alles passieren kann…
Trommel und Rassel sind die wichtigsten „Werkzeuge“ dabei, Orakelsteine, weitere Divinationstechniken und magische Rituale kommen aber ebenfalls entsprechend der Fragestellung/des Anliegens zum Einsatz.
Schamanismus beruht auf Animismus (Seelen- und Geisterglaube), der Vorstellung von personenhaften Wesenheiten, die hierarchisch eingeordnet werden: Geister, Ahnen und Dämonen, die in der Regel die Zwischenwelt zwischen Menschen und höheren Wesen bevölkern, vor allem als Natur- (Feen, Elfen) und Ahnengeister. Sie verfügen über eine metaphysische Macht, die sie der Schamanin zur Verfügung stellen, um Heilungen und Ratschläge zu ermöglichen; bösartige Geister können durch Amulette abgewehrt werden.
„Kern“-Schamanismus
In den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts erforschte und entwickelte der Anthropologe Michael Harner den sogenannten Core-Schamanismus. Darunter versteht man grundlegende Prinzipien und Techniken des Schamanismus, die den meisten noch intakten Traditionen schamanischer Gesellschaften und deren Praktiken innewohnen, ohne deren Zeremonien zu übernehmen.
Diese Methode ermöglich es auch heutigen westlichen Menschen, schamanische Techniken zu erlernen und zu praktizieren.
Schamanismus ist keine Religion, sondern eine Methode, in der die Schamanin in Verbindung mit anderen Mitteln (Kräutermedizin, Heilsteine, Klangschalen etc.) einem ganzheitlichen Ansatz folgend spirituelle Möglichkeiten zur Verfügung stellt, um Menschen und/oder Tieren zu helfen.
Wurzeln in Deutschland:
Die sogenannte „Schamanin von Bad Dürrenberg“ ist die älteste bekannte Grabstätte einer als Schamanin identifizierten Frau in Deutschland/Sachsen-Anhalt (8700 – 9000 Jahre alt).
Text und Foto: Faye