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Nur die Poesie findet die Sprache der Trauer

II. Die Trauer annehmen:

Der 11. September hat uns alle zusammen in ein tiefes Loch der Trauer geworfen. Wir mussten sehen, wie die furchtbare Macht des Todes in unser Leben eindrang, wie sie uns verbrannte mit Schmerz und mit Verlust, wie sie unsere Prioritäten veränderte, all unsere Pläne zerstörte, uns daran erinnerte, dass wir auf der Erde wandeln, verwundbares sterbliches Fleisch.

Die politische Aufgabe, der wir uns gegenüber sehen, ist zu der Tiefe dieser Trauer zu sprechen, sie nicht zu verdecken oder zu verkleinern oder sie zu verwenden, um abgestandene Tagesordnungspunkte weiter zu verfolgen. Wenn wir nichts anderes tun als Menschen mit Megaphonen zu beschallen und die Politik, die Slogans, die Sprache der 60er Jahre wieder aufzuwärmen, werden wir keinen Erfolg haben. Die Bewegung, die wir jetzt aufbauen müssen, das Potential zur Veränderung, das aus dieser Tragödie erwachsen mag, muss direkt zum Herzen des Schmerzes sprechen, der allen politischen Lagern gemeinsam ist.

Aus dem Herzen der Welt ist ein großes Stück Fleisch gerissen worden. Was wir jetzt tun müssen, ist nicht die Wunde zu schließen, sondern es zu wagen noch tiefer in sie hineinzuschauen.

Um diese Trauer zu verstehen, müssen wir die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass sie schon vor dem 11. September in uns war, dass die Gewalt und der Tod jenes Tages eine Flutwelle latenter Trauer auslösten. Auf einer Ebene trauerten wir tatsächlich um die Opfer und mit ihren Familien um die Zerstörung vertrauter Orte und die Vernichtung unserer Lebensmuster. Aber auf einer tieferen Ebene trauerten viele von uns zu jener Zeit bereits, ob bewusst oder unbewusst, um die fehlende Bindung und Gemeinschaft in unserer Gesellschaft, die diese Türme baute, um die Trennung von der Natur, die jene verkörperten, um die Zurückdrängung der Wildnis, um die Verschließung von Möglichkeiten und die Verkleinerung unseres Lebensraumes. Diese gefrorene Trauer, die sich in Wut verwandelt hat, hat unseren Bewegungen Energie zugeführt, aber wir sind nicht die einzigen, die empfinden.

Mit der Trauer geht auch eine Furcht einher, tiefer als der Terror, der durch den Angriff selbst verursacht wurde. Denn jene Türme standen für den Triumph der Menschen über die Natur. Überlebensgroß, feuersicher gebaut, waren sie die Titanic unserer Tage. Die Tatsache, dass sie gebrannt haben und so schnell zusammengestürzt sind bedeutet, dass der ganze Überbau, der die Natur schwächt und uns unsere Bequemlichkeit und Sicherheit schafft, zusammenstürzen könnte. Und ohne ihn können die wenigsten von uns überleben.

Tief im Inneren wissen wir, dass unsere Technik und unsere Wirtschaft nicht auf Dauer bestehen können, dass die Natur stärker ist als wir, dass wir nicht ohne Folgen mit den Lebenssystemen der Erde herumspielen können, und dass wir auf der Erde eine solch tiefe Verzweiflung verursachen, dass sie notgedrungen aufbrechen, weinen und wüten muss. Die zusammenstürzenden Türme waren ein Abbild einer sich nahenden Abrechnung, die wir zwar fürchten, aber heimlich erwarten. Die Bewegung, die wir jetzt aufbauen müssen., muss das ganze Gewicht des Verlustes und der Furcht ansprechen, und doch auch Hoffnung bewahren. Wir müssen uns die Existenz der starken Kräfte des Chaos und der Ungewissheit eingestehen und doch weiterhin glauben, dass aus Chaos zwar Zerstörung, aber auch Kreativität hervorgehen kann.

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